Lernen mit interaktiven Tafeln in der Schule

Wie sieht der Unterricht mit einer interaktiven Tafel aus?

©Splett&Fischer
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Die Besonderheit einer interaktiven Tafel ist, wie schon der Name sagt, ihre Interaktivität. Sie ist ein großer Computerbildschirm mit der Möglichkeit, mit Hilfe "elektronischer Kreide" oder dem Finger auf der Computerpräsentation auszuwählen, zu markieren, zu manipulieren und auf der Tafel physisch und digital zu schreiben oder zu zeichnen. Lehrkräfte sollten sich vor dem Einsatz fragen, ob sie eines solches Bedürfnis je hatten. Falls ja, kann der Unterricht bereichert werden, falls nein, wird es möglicherweise nur Mühe ohne viel Nutzen werden. Man könnte den Eindruck bekommen, dass die Hersteller und interessierte Nutzer mit nicht nachlassendem Fleiß versuchen, neue Beispiele der Anwendung interaktiver Tafeln zu ersinnen, ohne existierende Anforderungen, Probleme oder Einschränkungen im Lehrbetrieb zu betrachten. Sie lösen damit leicht nicht existente und schaffen neue Probleme, wie zum Beispiel:

  • geeignetes Positionieren der relativ kleinen interaktiven Tafeln samt Computer im Klassenzimmer,
  • Montieren oder Aufstellen von Beamern, die die Tafel dann präzise ausleuchten,
  • bei den meisten Produkten das Problem, im Strahlengang des Beamers zu stehen und mit dem eigenen Schatten zu kämpfen oder auch
  • neu Schreiben und Zeichnen zu lernen, da die Stifteingabe oft schwerfällig ist.

Am besten funktioniert die interaktive Tafel in der flexiblen Kleingruppe, die sich darum scharen kann und so jedem ermöglicht, damit zu interagieren. So sind die Tafeln historisch auch aus dem Kontext der interaktiven Kooperationssysteme entstanden.
Steht der Nutzen, ein Computerbild auf einem solchen Touchscreen zu haben, mit den pädagogischen Zielen und Herausforderungen in einem vernünftigen Verhältnis? Im Einzelfall bestimmt, generell eher nicht. Gerade das muss aber für eine Schule, seine Lehrkräfte und Unterrichtsstrukturen herausgefunden werden, bevor größere Investitionen getätigt und eine solche Lösung geeignet räumlich positioniert werden kann.

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Wie sieht die Weiterentwicklung der interaktiven Tafel aus?

Die wesentliche Art von Weiterentwicklung bei der Nutzung interaktiver Computertechnologien ist die Weiterentwicklung der Lehrkraft. Die Technologie ist dabei sekundär. Im Vordergrund steht das Potenzial einen interaktiven Computer mit beliebigen Anwendungen im Klassenverbund sichtbar und greifbar zu machen. Das Setting der Tafelprojektion knüpft dabei an die bekannte Kreidetafel an und bietet die zusätzliche Möglichkeit, interaktive Computerprogramme zu nutzen.

Wohin kann sich eine solche Tafel technisch entwickeln?
Sie kann größer, schneller und robuster werden. Dies heißt allerdings neu kaufen, und das alle paar Jahre. Dies ist teuer und von den Schulen kaum zu leisten. Schon gar nicht flächendeckend. Vielleicht nur alle fünf Jahre eine neue Tafel in der Technoecke der Schule oder als gemeinsam genutztes System, das man sich für eine Stunde bucht und dann wieder weg ist und das vielleicht nicht einmal zur Vorbereitung passend reserviert werden kann. Einmalige Investitionen taugen hier nicht.

Lehrer vor einer interaktiven Tafel sind oft bunt.
Sie werden bei den meisten Tafeln vom Beamer angestrahlt und hinterlassen einen großen schwarzen Fleck auf der Tafel. Weitwinkel-Beamer, die über der Tafel angebaut sind lösen das Problem teilweise, sind aber auch entsprechend teuer. Eine Rückprojektion wäre ideal, würde aber einen vollständigen Technologiewechsel bedeuten. Dieses Problem bremst die Akzeptanz und den natürlichen Einsatz interaktiver Tafeln nicht nur im schulischen Kontext. Auch in Hochschulen, Betrieben oder Weiterbildung findet man u.a. deshalb nur wenige Freunde dieser Technologie.

Was ist die technologische Alternative?
Die einfachste Lösung ist, einen Beamer an die Decke hängen und über oder zwischen den alten Tafeln eine möglichst große Projektionsfläche herstellen. Auch Lautsprecher sollte man dazu an die Wand montieren oder geeignet aufstellen. Bedient wird die Projektion vom Lehrerpult oder beim freien Herumgehen im Klassenraum durch Fernbedienungen und Zeigeinstrumente. So kann auch diese Lösung interaktiv werden Das funktioniert und erlaubt zumindest vom Pult fast alles, was die interaktive Tafel auch kann. Beamer kosten täglich weniger, da sie inzwischen Comsumertechnologie sind. Sie sind inzwischen robust, hell, hochauflösend und auch leise. Einen Beamer bräuchte man für das interaktive Board sowieso, er findet aber bei der normalen Projektionslösung einen vernünftigen Platz unter der Decke. Zugegebenermaßen ersetzt die normale Beamerprojektion nicht jeden Anwendungsfall einer interaktiven Tafel. Dafür ist es aber ein leicht handhabbares universelles und flexibles Instrument, das heute dringender zur Grundausstattung eines Klassenzimmers gehört als eine interaktive Tafel.

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Wie geht es weiter?
In unseren Forschungs- und Transferprojekten (siehe www.kimm.uni-luebeck.de) verwenden wir seit 10 Jahren vor allem mobile Technologien wie Notebooks, Netbooks, Tablet-PCs und Mobiltelefone für den Unterricht. Dies sprengt das alte Klassenzimmer und öffnet den Weg in natürliche Lernkontexte wie Stadt, Reise, Wald und Wiese. Ergänzend kommen in Vorbereitung auf die nächsten fünf Jahre Touchscreens (große preiswerte Bildschirme in Fernsehtechnologie, modulartig zu Interactive School Walls ausbaubar), Multitouch-Tische, 3D-Projektionen oder auch 3D-Autostereopsis-Bildschirme. All diese Geräte bergen eine großes Potenzial für die die Schule, sind bausteinartig verwendbar, kommen von unterschiedlichen Herstellern, die sich im harten Wettbewerb befinden und können flexibel für die unterschiedlichsten Lehr- und Lernkontexte Einsatz finden. Natürlich kann man auch die interaktive Tafel in den Reigen der neuen Schultechnologien aufnehmen. Wir konnten bislang allerdings nur wenige Lehrkräfte dafür begeistern und haben auch wenig natürliche, im Klassenkontext funktionierende Szenarien dafür gefunden. Die Beispiele, die die Hersteller geben, sind bekannt, scheitern jedoch oft an der Schulrealität und an den Lehrzielen.

Wird die interaktive Tafel die nächste Technikruine in der Schule?

Möglicherweise ja. Die Tafel ist relativ klein, anfällig, teuer und ihre Nutzungsvorteile werden gerne konstruiert und nur in Kleinststudien geprüft. Die Gefahr, dass sie nur von wenigen oder niemanden nach einem ersten Schnuppern genutzt wird, ist groß. Statt einer interaktiven Tafel mit Beamer und PC kann man fünf Klassenräume mit Beamern, PCs, Lautsprecher und Leinwänden (oder einfach weißen Wänden) ausstatten. Der Nutzen wird ungleich größer sein.
Manchmal funktioniert Evolution eben anders. Die Kreidetafel war ein großer Wurf. Sie wird erstens noch lange halten und zweitens eher durch andere Technologien als die derzeitigen interaktive Tafeln abgelöst werden. Übergangsweise ist es einfacher, Notebook, Beamer und Wand zu nutzen, den Overheadprojektor zu ersetzen und die "Kreidetafel zu schrumpfen". Das funktioniert und ist für praktisch jeden Unterricht und jedes Klassenzimmer möglich. Schüler und Lehrer kommen damit schnell zu recht und haben auch Spaß damit. Mit mobilen Beamern und Notebooks hat man auch mobile Varianten und auf die Bedienung der Programme an der Tafel lässt sich in der Kleingruppe ohne pädagogischen Nachteil verzichten. Eine Funktastatur und -maus leistet hier einen guten Ersatz.

Ein Wort an die Bildungspolitiker

Geben Sie unseren Schulen langfristige Investitionsprogramme und -mittel für neue Technologien, aber schreiben Sie ihnen nicht vor, wofür. Lehrkräfte sind kreativer und motivierter als sie glauben und werden mit wenig Geld wertvolle und funktionsfähige Lösungen schaffen. Sicher auch mal hier oder da eine interaktive Tafel, aber auch tausend Dinge mehr. Außerdem entwickeln sich die Technologien schneller und zielführender als die politischen Programme. Die Schule wurde in der Vergangenheit durch fehlende Technologieinvestitionen und vor allem fehlgeleitete zentralistische Technologieplanung technologisch ausgetrocknet. Die Schülerinnen und Schüler glauben nicht, dass sie dort für ihre Lebenswirklichkeit vorbereitet werden. Was die Technik angeht, sind die meisten Schulen Wüsten oder historische Stätten, die Schüler, Lehrer und unser Land lähmen. Wenn nicht Lehrkräfte mit ihrer Kreativität, ihren eigenem oder mühsam eingeworbenen Geld trotzdem moderne Technik anschaffen würden, sähe es noch düsterer aus. Investieren sie in Personal und Technik an den Schulen und überlassen sie es den Lehrkräften, was sie damit machen.

Schlusswort

Meine technologischen Überlegungen in diesem Beitrag sollen nur einen kritisch-diskursiven und nicht etwa einen normative Beitrag liefern. Wir brauchen hier keine Normen oder Ideologien, sondern Ressourcen, Offenheit und Kreativität.

 

Prof. Dr. M. Herczeg - Institut für Multimediale und Interaktive Systeme - Universität zu Lübeck